Montag, Juli 18, 2005

Klassenfahrt ins Muätital

Die wenigsten haben eine Ahnung wo sich das Muotathal überhaupt befindet, geschweige denn je mit einem Oberalmiger (bezeichnet die dort ansässigen Urgeschlechter, korrigier mich Roger, wenn ich falsch liege) gesprochen. Vielmehr kursieren die wildesten Geschichten und ich-kenne-jemanden-der-jemanden-kennt-Sagas. So soll angeblich die für unseren Breitengrad unübliche Schädelform der Einheimischen daher rühren, dass vor ein paar Jahrhunderten russische Soldaten ins Tal einfielen und die Mägde und Bäuerinnen zu unzüchtigem Schweinkram im Heuschober drängten. Das führte zu einer Generation von kartoffelköpfigen Innerschweizern deren russischer Einschlag bis heute erhalten blieb. Es ist jedoch davon abzuraten einem angetrunkenen Muotathaler diese Version seines Stammbaumes näher zu bringen.
Anlässlich der vier Semester Informatikscheiss, leider erst die Hälfte, die wir bis jetzt hinter uns gebracht haben, versammelte sich der Grossteil meiner Klasse im Muotathal um etwas zu feiern. Also minderwertiges Fleisch auf den Grill, Bier in die Hand, dummes zeug labern, Schmuddelwitze erzählen, sentimental werden und mit zunehmendem Fuselstand auch die arroganten Grosskotze(ein paar Leidensgenossen der Klasse und meine Wenigkeit) nett finden.
Um dem entgegenzuwirken und weil verwilderte Täler kein Anlass zu Stil Unsicherheiten geben, begnügten wir uns nur mit dem Besten. Angefangen mit zartestem Rindsfilet bis hin zu extra dafür neu erworbenem Besteck, Made in West Germany, führten wir unsere eigene kleine Gourmetküche.
Irgendwie reichte der Alkohol nicht aus, oder es gibt Strukturen die nicht so einfach zu brechen sind, jedenfalls sassen wieder die üblichen Grüppchen zusammen. Nach ein paar Flaschen Bier und unzähligen Diskursen über Brüste, optimale Intimrasuren und sexuelle Präferenzen(an die Klischeeverherrlicher: nicht alle Informatikstudenten stehen auf Klingonen) unternahmen wir eine kleine Erkundungstour, geführt von einem Klassenkameraden der sich zu recht als Oberalmiger bezeichnet, ins örtliche Pub(in der Schweiz bevorzugt „Pöbb“ ausgesprochen). Dort erfuhren wir, dass der Laden nur deshalb nicht aus allen Nähten platzte, weil das „Tann-Fäscht“ stattfand und alle Trinkfreudigen sich dort die Kante geben würden. Das war definitiv was für uns.
Obwohl wir noch warnend gefragt wurden ob wir denn überhaupt über ein allrad getriebenes Fahrzeug verfügen würden, natürlich nicht, stürzten wir uns wagemutig ins Abenteuer. Der Berg ruft! Um mal einen billig-Techno-Hit der 90er zu bemühen.
Nach etwa 15 Minuten einspuriger Bergstrasse mit Neigungswinkel an die 20 % erreichten wir besagtes Tann-Fäscht. Was uns erwartete übertrifft die kühnsten Älpler-Romantik-Fantasien der gesamten Sünnelipartei. Einfach sagenhaft. Die bewaldete Bergstrasse wurde immer lichter und ein kleines Plateau mit Hof bildete sozusagen die Sackgasse. Rings um den Viehstall, welcher notabene als Konzertsaal für urchige Handorgelmusik herhalten musste, parkten reihenweise die Autos bis weit den Hang hinauf. Was sofort auffiel – der örtliche Subaruhändler hat wohl keine Konjunkturflauten zu beklagen. Die Besucher des Tann-Fäscht waren, wie unser Guide konsterniert feststellte, wenig „hiesigi“ was soviel bedeutet wie, nicht von hier. Stattdessen aus den umliegenden Kantonen UR, NW,OW, ZG und sogar einer aus Züüüüriiiii und das will was heissen, denn bekanntermassen ist Zürich ja die angesagteste Metropole der Welt, also muss diese Party schon was besonderes sein.

Was mich hingegen nachdenklich stimmte – nirgends waren grimmige Glatzkopf-Rütlischwörer zu sehen. Im Gegenteil, es wurde herzhaft gelacht, einander zugeprostet und grosszügig Schnupftabak verteilt. Man konnte jemanden Anrempeln, aus versehen Bier über die Jeans eines Mädchens schütten, deren Freund zum Abendbrot locker ein halbes Rind verspeist hatte, oder jemandem auf den Fuss treten, ohne dass gleich die Ambulanz antraben musste(wäre schon rein aus geografischer sicht unsinnig).
Nach wenigen Minuten hatte ich begriffen wie hier am einfachsten kommuniziert wird, nämlich mittels lautem, aber undeutlichem zurufen von irgendwas und dabei die Flasche hochhalten. Was ich natürlich sofort ausprobieren wollte und die zwei schönsten Mädels mit einem polternden „schöni Sännerin“ begrüsste…und siehe da…ich erntete ein scheues Lächeln und Flasche hoch.

Womöglich hatte ich bis anhin ein völlig falsches Bild von diesem Talvolk. Vielleicht haben die Menschen hier einen Weg gefunden miteinander umzugehen ohne sich dabei gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Irgend etwas familiäres, wo jeder jeden kennt und alle alles von allen wissen. Ich bin wirklich beeindruckt.

Das einzig sonderbare an sich war die Garderobe. AC/DC muss wohl auch im Muotathal einen Merchandising Stand betreiben, anders ist die Vielzahl von Aufnähern und T-Shirts nicht zu erklären.

4 Comments:

Anonymous Anonym said...

Nun hast du deinen Schreibkünste wirklich wieder einmal bewiesen.
Ich bin beeindruckt von dem Bericht und wie du das Ganze wahrgenommen hast. Ich kann allem zustimmen, ausser das mit den Russen ist wohl nicht ganz treffend. Aber es sei dir verziehen.

Korrektur: Es heisst Tänn-Fäscht

Tänn= das Tenn, die Tenne(Bodenebene) auch für Heuboden (im oberen Stock)

12:30 PM  
Anonymous Anonym said...

geilst! *lol

das einzige was ich von meinem einzigen trip ins thal mitnehmen durfte waren beschimpfungen. und das im zarten kindesalter!

6:12 PM  
Anonymous Anonym said...

Bin zufällig auf den Blog gestossen... und habe mich köstlich amüsiert wie du das Muätital beschreibst...

Gruss aus dem Thal von einem subarufahrenden Oberälmiger

1:28 PM  
Anonymous Anonym said...

bi ja ai nur uf därä siitä gländet wil ichs tänn fäscht googled he, und ha meineid miässä lachä wo ich din reisebricht ubers thäli gläsä ha..........und dass mitem russischä ischlag hed bimeich epis!

1:01 PM  

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