Sonntag, April 09, 2006

Über die Vergänglichkeit

Dann und wann verschlägt es mich an Orte, die ich für gewöhnlich nicht aufsuche. Nicht weil ich mir zu schade dafür wäre(schliesslich ist LordLevi für jede Umgebung eine Bereicherung) sondern weil meine Interessen grösstenteils anderweitig gestreut sind.

So kam es, dass ich auf Grund von Verkettungen des Lebens im I45 im Zug landete. Was mir vorgängig nicht bekannt war, ist die Tatsache, dass das Durchschnittsalter ein gutes Stück unter der magischen 20 lag. Nun, der geneigte Leser darf es wissen, LordLevi wird bald ein viertel Jahrhundert hinter sich haben – und das, Freunde des guten Geschmacks – ist nicht schön! Mir fallen da gerade n+1 Dinge ein, die ich lieber täte, als 25 werden. Aber ich schweife ab.

Was mich beschäftigt ist nicht die Zahl an sich, sondern dieses Gefühl der Vergänglichkeit. In oben benannter Lokalität, tummeln sich also junge Menschen, die nur so strotzen vor sorgloser Lebensfreude und ausgelassener Vitalität. Die Jungs(die in der Unterzahl sind! Wo zur Hölle hab ich so etwas das letzte Mal erlebt?) trinken vorwiegend Dosenbier, sind schlecht gekleidet, tanzen wie wild gewordene Berserker, hängen sich betrunken in den Armen, und diskutieren Rockbands die „voll anti“ sind.

Die Mädels sind erstaunlich selbstbewusst, sehen einem direkt in die Augen, haben beim Griff in den Kleiderschank wesentlich mehr Glück als die Jungs und tanzen den klassischen ich-bin-ein-Huhn-Tanz, der in der Alternativszene äusserst beliebt scheint.

Na jedenfalls steh ich also da, höre mir das Konzert an und sehe den jungen Menschen zu, wie sie, ganz in ihrem Element, frei von Zwängen und Verpflichtungen den Augenblick geniessen. Sich treiben lassen und der Unbekümmertheit hingeben.

Das stimmt mich nachdenklich und ich versuche mich zu erinnern.
Versuche nachzuvollziehen, wie es war, damals als Teeny. Doch es fällt mir schwer. Ich kann mich nicht mehr an die Stimmung erinnern. Mein Gedächtnis projiziert Bilder von Situationen, deren Intensität ich nicht ergründen kann. War ich ausgelassen? Fröhlich? Wild? Befreit? Ich kann es nicht sagen. Schwermut überfällt mich und ein dumpfer Schleier heftet sich wie ein Schatten an den weiteren Verlauf des Abends.

Vielleicht bin ich auch nur Betrunken und einer jener so raren Sentimentalitätsmomente hat mich ergriffen. Kann es wirklich sein, dass man sich nur ein paar Jahre unterscheidet und doch in völlig verschiedenen Welten lebt?
Etwas teilnahmslos stehe ich an der Bar, quatsche mit ein paar alten Bekannten und frage mich ernsthaft ob ich meine Jungend versäumt habe. Habe ich wirklich die Narrenfreiheit der Pubertät ausgekostet? Vermutlich hab ich das. Ich bin mir sogar ziemlich sicher. Und dennoch hinterlässt das irgendwie einen schalen Nachgeschmack.

Die Party ist vorbei alter Junge!

Bevor ich völlig einknicke erinnere ich mich an meinen treuen Kumpel Platon, der Heraklits Flusslehre zusammenzufassen versuchte: „panta rhei! Alles fliesst und nichts bleibt; es gibt kein eigentliches Sein, sondern nur ein ewiges Werden und Wandeln.“