Montag, August 29, 2005

Dein Freund und Helfer

An einem Samstag hat man als moderner Mann nichts Besseres zu tun, als Shoppen zu gehen. Das Wort ‚Shoppen’ wird hier bewusst verwendet, denn ich habe in einem Frauenbuch gelesen, ‚Shoppen’ und ‚Einkaufen’ sind verschiedene Dinge. Einkaufen ist, wenn man wichtige Gegenstände wie Lebensmittel oder Küchenrollen benötigt. ‚Shoppen’ steht dann bezeichnenderweise für den Erwerb von nicht lebensnotwendigen Sachen, wie etwa das 35. Paar Stilettos. Ich war also shoppen(das kann man ja wohl auch als Verb verwenden). Erst in Zug mit meinem Bruder. Der brauchte noch Schuhe für seinen neuen Anzug, da bin ich als Stilexperte der Familie natürlich unverzichtbar. Um 14:00 Uhr hatte ich mich bereits in Zürich mit meinem Freund, mit dem ich das Land von Mr. Miagi bereiste, zu treffen. Ich war etwas spät, aber er ist ja, nach eigenen Angaben, nicht nachtragend. Wir schlenderten umher und waren etwas frustriert ob der vielen Menschen die ausgerechnet an diesem Samstag auch ‚shoppen’ wollten. Hinzu kam der Umstand, dass für diesen Abend das ‚Dörflifäscht’(mit ‚Dörfli’ ist natürlich keineswegs Zürich – fanciest-town-on-earth – an sich gemeint, nein, nein, wer käme denn auf so was, sondern das Niederdorf) angesetzt war. Es drängten sich also neben uns noch weitere Landeier durch enge Gassen und blieben mit offenem Mund vor den bunten Schaufenstern stehen. Wie das halt so ist wenn der Bauer in die City kommt.
Zum Glück war irgendwann spät genug um etwas Nahrung aufzunehmen. Ich war nämlich nicht nur entnervt wegen der Menschenmassen, sondern der unsäglich schlechten Musik in den Geschäften. Als ich eine Verkäuferin über 40 fragte, ob sie denn nicht dem Wahnsinn ins Auge schielte, bei so viel Lärm, sagte sie nein. Das sagt eigentlich genug über ihren Zustand. Sie war bereits wahnsinnig.
Jedenfalls beschlossen wir irgendwo beim Escherwyssplatz nach einem angesagten Lokal zu suchen und fuhren unter der Hardbrücke an den Parkplätzen vorbei. Mein etwas bekiffter Freund stellte erst nach dem 10. leeren Parkfeld fest, dass er eigentlich längst seine Karre hätte abstellen können, doch wir waren schon zu weit und mussten nochmals eine Runde drehen.
Beim erneuten Versuch entdeckte ich etwas, dass mein Herz höher schlagen liess. Ein Polizeiwagen stand leicht quer auf zwei Behindertenparkplätzen. Die Uniformierten selbst verteilten Parkbussen. PARKBUSSEN!
In solch denkwürdigen Situationen kann ich natürlich nicht widerstehen. Ich also raus aus dem Wagen, mein Freund fütterte inzwischen die Parkuhr, mein Mobiltelefon gezückt und mich demonstrativ seitlich auf der Fahrerseite postiert, um das Vergehen festzuhalten. Währenddessen hatten die Uniformierten wohl genug Zettel geschrieben und kamen wieder zu ihrem Wagen zurück. Der Fahrer war schon eingestiegen, doch sein Kollege wurde auf mich aufmerksam.

„Nähmed sie d’Kamera abe!“, ich reagierte nicht sofort und er setzte nach, „ich muess süsch na kontrolliere was sie druff händ!“. Na gut, das klang ernst. Ich ging also auf ihn zu und sagte: „Ich finds nur amüsant, dass sie ufem Behinderteparkplatz stönd“

„Händ sie es Problem demit?!“

„Nei, aber es isch doch witzig dass sie Parkbuesse verteiled und glichzitig ufem Behinderteparplatz stönd.“

„Findet sie das witzig?!!!!!!“, offensichtlich du Idiot, sonst hätte ich es wohl kaum gesagt!

„Sind sie behindert?“, fragte ich ihn und mir lief es kalt den Rücken runter. Verdammt, meine Tonlage klang mehr nach Vorwurf als Frage. Ich Volldepp, das ist kein gewöhnlicher Bürger, den darf man nicht einfach beleidigen.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich, wie er ausrastet; Sein Kollege hinzukommt; Ich mit auf den Bullenposten muss; Er in unsäglich langsamem zwei-Finger-System sein Protokoll verfasst; Mich den Wisch unterschreiben lässt; Ich eine Strafanzeige wegen Beamtenbeleidigung kriege; Keine Schusswaffe beantragen kann, wegen meinem versauten Leumund; Die Ausländerbehörde meinen C-Ausweis nicht verlängert; Ich nach Deutschland muss und die Bundeswehr mich einzieht.
Ich versuchte zu retten, was zu retten war und schob blitzartig ein: „Dörfed sie überhaupt uf Behinderteparkplätz stah?“, nach. Ein kurzes aufleuchten seiner Augen verriet mir, er hatte die Beleidigung nicht als solche wahrgenommen, da er offensichtlich die Möglichkeit einer geistigen Behinderung, Entschuldigung, koginitiven Behinderung, seinerseits ausser Acht liess.
Sehr selbstsicher, der Mann.

„Wüssed sie, mir händ e Dienschttuftrag, mir dörfed so ziemli alles!“, polterte er triumphierend und stieg in den Wagen.

Phuuuuuuuuhhh, er zog es also nicht in Erwägung mich hinsichtlich meines Darminhaltes zu kontrollieren – in Züri sind eben alle etwas cooler.

Montag, August 22, 2005

Das ist ein Überfall!!!

Meine Uhr zeigt 19:35 und ich bin auf dem nach Hause weg, um mir den Sonntagabendfilm auf Pro wirblendenwerbungeinohnepunktundkomma Sieben anzusehen. Ich biege kurz zur Migrol Tankstelle Kollermühle in Zug ab, weil ich ein leichtes Durstgefühl verspüre und das Kassenmädchen sehr hübsch ist. Ordnungsgemäss stelle ich meinen Wagen ab und steige aus, als mein Augenmerk auf einen Nagelneuen Audi A8 fällt. Beim zweiten Blick bemerke ich, dass drei äusserst nebulöse Gestalten darin sitzen, wovon der eine gerade aussteigt. Er kommt auf mich zu. Bekleidet ist er mit diesen typischen kleinkriminellen Klamotten, die man aus 80er Jahre Krimis kennt. Schwarze Hose, halblanger schwarzer Ledermantel, zu einem Pferdeschwanz gebundenes schwarzes Haar und Leopardenfellschuhe. Ohne Scheiss. Der Typ trägt Leopardenfellschuhe! Wir laufen aus entgegen gesetzter Richtung, längs dem Tankstellenshop auf den Eingang zu. Als wir ungefähr drei Meter von einander entfernt sind kreuzt sich unser Blick. Wie in Hollywoodstreifen läuft das Bild in slowmotion. Erst die Kamera auf den Guten(moi) und dann auf den Bösen. Wieder auf mich. Wieder zu ihm. Die schnitte werden hektisch. Unsere Augen werden eingeblendet. Abwechselnd. Noch immer sehen wir uns in die Augen. Ich seh’ nicht weg. Ich bin der Silberrücken. Wie es schein werden wir zur selben Zeit beim Eingang sein und ich bin geneigt ihm den Vortritt zu lassen.


Er geht an mir vorbei ich biege ab in den Shop ein und merke wie mein Puls schneller geht. Im Seitenwinkel erkenne ich, dass er sich hinkauert und irgendwas an der Auslage mit Kühlflüssigkeit und Öl nestelt. Ich bin froh drinnen noch andere Menschen zu sehen. Das schöne Kassenmädchen habe ich inzwischen vergessen. Ich schiele aus dem Fenster und sehe den Audi. Der Typ auf der Fahrerseite trägt einen dunklen dreiteiligen Anzug. Ein helles Hemd, sowie auch eine helle Krawatte. Der andere hingegen könnte unterschiedlicher nicht sein. Er hantiert mit dem Zapfhahn und trägt eine tarnfarbene Militärhose, die dazu passende Jacke und Kampfstiefel. Das alleine gäbe ja schon zu denken. Was mir mehr sorgen bereitet ist der fürchterliche Bartwuchs. Völlig zerzaust und die langen speckigen Haare unter einer Truckermütze eingeklemmt. Er ist der klassische Psychopath, der in keinem guten Schlitzerfilm fehlen darf. Einer der ahnungslosen Hausfrauen die Kehle durchtrennt und dabei wirres Zeug brabbelt.

Der Leopardenfellschuh betritt den Shop und ich nehme mir eine Caprisonne aus dem Regal. Multivitamin. Nicht Orange. Ich stehe direkt hinter ihm an der Kasse. Einen Momentlang blitzt etwas silbernfarbenes aus seiner Manteltasche und ich bin mir ziemlich sicher – der Leopardenfellschuh hat ne Kanone! Ich tue so als hätte ich etwas vergessen, trete aus der Warteschlange und postiere mich hinter dem nächstgelegenen Regal. Wenn der Typ schon den Shop überfällt will ich mir das natürlich nicht entgehen lassen. Aber in der ersten Reihe stehen? Soll sich der dickbäuchige Schnauzträger, der pausbäckig meinen Platz eingenommen hat, doch die Knarre an den Kopf halten lassen. Der Leopardenfellschuh ist endlich dran und nuschelt das Kassenmädchen an, welches mir in diesem Moment erst wieder einfällt und steckt seine Hand in die Manteltasche. Er zieht gleich, denke ich mir und gehe schon mal vorsichtshalber ein wenig in die Knie. Zu meinem Erstaunen nimmt sie drei Sandwich aus der Kühlvitrine. Und da fällt der Satz, den nur kriminelle Taugenichtse sagen können. Er sagt es laut und deutlich, im Gegensatz zu der Sandwichbestellung, fast so als beabsichtige er möglichst viele Leute zu erreichen, mit einzubeziehen, bevor er sie umlegt. „Eine Flasche Propangas“.

Hallllooooooooo! Da müssten doch selbst beim Realschulabschlusskassenmädchen die Alarmglocken läuten. Ein Typ mit Pferdeschwanz, Ledermantel und Leopardenfellschuhen will eine Propangas Flasche! Ein Raubmord fängt in jedem schlechten Thriller damit an, dass ein Wahnsinniger bescheuerte Utensilien kauft bevor er alle Niedermetzelt. „So eine für den Grill?“, fragt das Kassenmädchen. Um Himmelswillen! Ist die jetzt völlig übergeschnappt? Was denkt die sich, wird der Leopardenfellschuh wohl sagen? ‚Nein, nicht für den Grill, wir fackeln nachher noch eine Kirche ab!’ Der Pferdeschwanz nickt, noch immer die Hand in der Manteltasche. „Und wozu dann die Sandwich?“, dabei lächelt sie freundlich. Man darf doch kriminelle nicht anlächeln! Die halten das immer für fieses Grinsen und setzten einem lässig 9 Millimeter Stahlummantelung zwischen die Augen. Ich will schon nach vorne brüllen, sie soll gefälligst ihre Schnauze halten und dem netten Herrn einfach das geben was er möchte, da kommt auch schon der Militärmann, offensichtlich fertig mit der Tankerei und trägt eine Flasche Propangas auf den Schultern in den Shop. Klasse. Der Psychopathen-Messermörder ist nun auch noch da. Ich sehe nach draussen und mir ist als hätte der Fahrer schon den Motor gestartet. Was wollen die Typen bloss? Drei völlig suspekte Männer, zwei davon in absurder Montur in einem nagelneuen 200'000 Franken Auto kaufen am Sonntagabend kurz vor acht eine Flasche Propangas. Ist das normal? Ich verliere kurzzeitig den Verstand und sehe mich schon mit dem Polizisten den Tathergang bereden. Überall liegen blutüberströmte Menschen und Sanitäter suchen nach einzelnen Körperteilen. Da fällt mir meine Caprisonne aus der Hand.

Ich sehe wie Leopardenfellschuh und Militärmann feixend den Shop verlassen. Niemand ist verletzt und anscheinend hat auch niemand die Gefahr erkannt. Ja sehen die denn so was nicht? Hab ich zu viele schlechte Filme gesehen? Ich bezahle meine Caprisonne beim schönen Kassenmädchen, die mich genau gleich anlächelt wie den Pferdeschwanz und gehe zu meinem Wagen. Der Audi mit den drei Ganoven ist weg. Ich bin etwas erleichtert und enttäuscht zugleich. Vermutlich haben die nicht mal einen Kaugummi geklaut. Auf der Autobahn sehe ich ihn dann plötzlich wieder vor mir. Den nagelneuen A8. Solothurner Kennzeichen. Das musste ja sein. Da wohnen doch nur schwererziehbare. Ich fahre auf die Überholspur und taste mich heran. Also ich auf gleicher Höhe mit dem Fond bin sehe ich nach rechts. Der Militärmann glotzt mich an. Plötzlich dreht der Leopardenfellschuh von der Beifahrerseite aus den Kopf ebenfalls zu mir und schliesslich auch noch der Fahrer. Alle drei starren zu mir und mir ist als wollten sie mir sagen: “Wir wissen was du denkst…und du hasst völlig recht…deshalb müssen wir dich leider von der Strasse rammen!“

Wahrscheinlich bin ich gerade ein wenig blass im Gesicht. Ich trete aufs Gaspedal. 160, es regnet noch immer in Strömen. Ich ziehe hastig nach rechts und setzte dabei bewusst den Blinker(das tue ich sonst eigentlich nie, aber in dieser Situation erscheint es mir doch besonders fahrlässig, den Spurwechsel nicht anzukünden). Endlich sehe ich meine Ausfahrt. Beinahe verpasst. Ich muss stark bremsen und sehe im Rückspiegel wie der A8 an mir vorbei donnert. Er fährt in Richtung Luzern weiter. Phuuuuuuu….ich atme auf. Etwas verwirrt fahre ich die letzten paar Kilometer zu mir nach Hause.

Das war genug Aufregung für einen Sonntag. Ich werde wohl heute mal auf den Actionfilm auf Pro wirblendenwerbungeinohnepunktundkomma Sieben verzichten.

Mittwoch, August 17, 2005

In Sachen Freundschaft

Vor einigen Wochen traf ich eine alte Kumpeline wieder. Ich halte eigentlich nichts von Freundschaften mit Frauenzimmern, die nicht in der Kiste enden. Warum nicht? Ganz einfach – weil es nervt. Das hat nichts dogmatisches, oder feindseliges. Ich habe nichts gegen Mädels, ich mag mir nur ihr Geschwätz nicht anhören, wenn keine Aussichten auf körperliche Nähe bestehen. Quid pro quo. Ich höre zu, nicke, lächle, gebe mich galant, schmeichelnd und interessiert, dafür will ich später dann Brüste sehen. Ein gerechter Tauschhandel in alter Manier. Doch wie bei allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, gibt es Ausnahmen. Eine davon ist eben besagte Kumpeline (und meine Ex, die an dieser Stelle darauf hingewiesen wird, meine SMS etwas zügiger zu beantworten, schliesslich bin ich nach wie vor ein äusserst ungeduldiger Mensch ;-) )

Als ich die Kumpeline, sie sei von jetzt an K. genannt, kennen lernte war ich 16. Das ist also eine ganze weile her. Wir verbrachten damals ein Jahr im Internat zusammen und hatten eine menge Spass. Das hört sich jetzt irgendwie nach Kaffe und Kuchen an, aber man bedenke, dass wir mit 16 auf der Höhe unserer, durch die olle Pubertät bedingte, Rebellenphase waren. Zugegeben, sie noch ein bisschen mehr als ich, weshalb ich sie auch nicht als Objekt meiner Begierde sah, sondern als gleichgestellten Weggefährten. Wir schwänzten jeweils den Unterricht und lungerten in der Stadt rum. (das Internat befand sich eigentlich in der Stadt, aber wie sagt man, wenn man dorthin geht wo was los ist? Ich geh ins Zentrum? In die Mitte?)

Irgendwie verloren wir uns ende Schuljahr aus den Augen. Wie das halt so ist. Man verspricht sich Kontakt zu halten und die Sache verläuft im Sand. Die Erde dreht sich, das Leben geht weiter. Neue Freunde, neue Herausforderungen und so fort. Als ich, wie eingangs erwähnt, K. vor einigen Wochen zufällig wieder traf, verabredeten wir uns auf eine Partie Squash und schafften es tatsächlich gestern in die Halle, zwar mit etwas Verspätung, aber immerhin. Nach dem Match(das eigentlich keines war, da K. sich partout weigert zu laufen) tranken wir ein paar Bier zusammen und quatschten über alte Zeiten, Gott und die Welt, dies und das. Es war angenehm und ich wurde ein wenig nostalgisch, woran ich bemerke, dass ich ständig älter werde. Kurzzeitig war ich versucht, meine Theorie über Kumpelinen zu ändern, vielleicht kann man ja mit allen weiblichen Wesen zwanglos abhängen. Nein, kann man nicht, das sind ausnahmen – und das sollten sie auch bleiben. Nun bin ich gespannt ob es wieder sieben Jahre dauert bis ich K. das nächste Mal sehe.

Dienstag, August 09, 2005

Viva la Internet

Ein Hoch auf das Internet. Hip, Hip Hurra. Eine wirklich grandiose Erfindung. Mal abgesehen davon, dass ich bequem von zuhause aus – live – in den Lustgarten etlicher Kurtisanen gucken kann, vereinfacht es mein Leben ungemein. Ich würde mich jetzt nicht gerade zu den Süchtigen zählen, die dann meist auch ihr Wochenende an dümmlichen LAN-Parties zubringen und sich die neusten Lara Croft Naked Module runter laden. Sondern einfach zu jener Gruppe, die aus Bequemlichkeit nicht mehr aufs Netz verzichten möchten. Mal eben schnell einen Flug buchen, ein Hotelzimmer an der Adria reservieren, sich über die neusten Tipps zu einem extravagante Krawattenknoten auf der Onlineausgabe von GQ informieren.
Das alles sind angenehme Dinge und je nach Laune variiert meine Lieblingsbeschäftigung in die unterschiedlichsten Sparten.

Mein derzeitiger Favorit: BOL

Die Onlinebuchhandlung(wobei sich das Angebot nicht ausschliesslich auf Bücher beschränkt) umfasst ein riesiges Angebot, bietet moderate Lieferkonditionen(ab 70.- Bestellwert ist das Paket kostenlos) und man kann das alles auf Rechnung bekommen.
Ausserdem und das scheint mir das Wichtigste, brauche ich nicht extra nach Luzern oder Zürich zu fahren, um eine ordentliche Buchhandlung zu finden, denn in Zug gibt’s ja nur die scheiss-monopolisten-Bücher Balmer AG. Zwei Filialen mit der Nutzfläche eines Dönerstandes und einem sagenhaften fünfeinhalb-Bücher-Sortiment . Obendrein bedienen in solchen Buchläden, ähnlich wie in Bibliotheken, merkwürdige Männer über 40 mit viel zu engen, eher grau als schwarz, weil ausgebleichten Jeans, die kurz über dem Knöchel aufhören und mit sehr warm aussehende Stricksocken weiterführen. Diese stecken in, oh ja ich bediene gerne Klischees, Sandalen. Von mir aus Künzli Gesundheitsschuhe, um nicht Birkenstock nennen zu müssen. Jedenfalls haben die keine Ahnung. Wenn ich nach einem Buch frage, schauen sie über ihre schmale pseudo-Intellektuellenbrille und geben ein gequältes „hmm“ von sich und setzten ein Gesicht auf, wie der liebe Moritz wenn er erfährt, dass in Dschibuti die Lärmbelästigung der lokalen Fauna beträchtlich durch das Getrommel der ansässigen Stammesbewohner gestört wird. Das geht zu weit, da muss man ein sehr besorgtes Gesicht aufsetzten und sofort diplomatische Schritte einleiten. Eine Lärmschutzüberbauung für 900 Mio. muss her. Aber sofort. Ich schweife ab. Was wollte ich sagen? Ach ja, die Buchhändler.

Die sagen dann immer: „müestemer bstelle!“. Aha müssten wir. Das bedeutet ja implizit, dass der Arsch das Buch lieber nicht bestellen würde, weil er

a) zu blöd ist den PC zu bedienen(was ich vermute),

oder

b) meine Buchwahl weder für literarisch wertvoll, noch sozial verträglich hält(was allem Anschein nach der Fall ist)

sonst hätte er gesagt: „müemer bstelle!“.

Dieser kleine aber, aber wie mir scheint, doch wesentliche Unterschied, trägt dazu bei, dass ich leicht die Contenance verliere. Als ich noch in der Pubertät steckte reagierte ich jeweils ausfallend: “steck dir doch d’bstellig in Arsch!“, ist auch angebracht für einen 15 Jährigen.
Mit den Jahren wird man etwas subtiler. Man gibt sich freundlich und kommunikativ, lässt den Arsch das Buch bestellen und fragt nach einem zweiten Buch, sobald er die erste Bestellung abgesetzt hat. Nach ein paar Bestellungen verlässt man vergnügt das Geschäft, kreutz alle zwei Tage auf und fragt den Arsch wegen der Bestellung. Mittlerweile kennt der einen und ist sichtlich genervt. Wenn dann endlich die Bücher eintreffen und er die Chance wittert, den Querulanten schnell loszuwerden, schaut man sich das erste Buch lange an und sagt: „hmmm nei, das hani nid bstellt, das isch s’falsche“, man legt das Buch achtlos zur Seite, es ist ja das Falsche, der Arsch murmelt etwas, man greift nach dem nächsten buch und sagt: „hmmm nei, au nid, definitiv s’falsche!“.
Beim dritten Buch schaut man den Arsch vorwurfsvoll an. Es ist wichtig, den vorwurfsvollsten Blick den man drauf hat aufzusetzen, so als hätte man sich zu seinem 7. Geburtstag eine Sachertorte gewünscht und kriegte stattdessen Rüeblikuchen. Wenn man den Arsch dann fixiert hat. Der Augenkontakt hergestellt ist. Der Arsch sich verkrampft an der Theke festklammert. Hält man das Buch mit ausgestreckten Armen vor sich und liest mit lauter, kräftiger Stimme, so dass es alle Anwesenden hören: „Babyficker, von Urs Allemann, Deuticke Verlag Wien!!! So en schund!! Händ SIE das bstellt?“



(anm. für Literaten: das Buch gibt’s wirklich, wurde sogar mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet)

Sonntag, August 07, 2005

Einmal voll bitte!

„Eis zweiesächtzg!!!“, es liegt ein Hauch von Verzweiflung in seiner Stimme. „Ahhh OK“, gebe ich mich bemüht, einigermassen interessiert zu wirken. „Nervt dich das nöd?“, er sieht mich an wie einer, der gerade im Begriff ist herauszufinden, dass sein ältester Sohn gerne Damenunterwäsche trägt. „Ähmm, ich weiss nid. So genau han ich mir das no nie überleit“, erwidere ich.

Ein paar Tage später fahre ich an einer Tankstelle vorbei und lese: „Bleifrei 95……1.62 Fr.“ (und noch so eine kleine etwas höher gestellte fünf…die mir signalisiert…es sind auch noch 0.5 Rappen pro Liter drauf zu legen). Ist das viel? Ich lasse mir von meinem Bordcomputer den Durchschnittsverbrauch anzeigen. Artig spuckt er die gewünschte Information aus: 13.7 Aha. Also gut 14 Liter auf 100 Kilometer. Das ist viel denke ich, nehme mein Mobiltelefon hervor, aktiviere die Kamera, stelle die Anzeige des Bordcomputers auf ‚Momentanverbrauch’ und trete aufs Gas. Mal sehen was der so schluckt wenn ich ihm die Sporen gebe.

Ich bin doch etwas erstaunt. Nicht so sehr darüber, dass mein V8 durstig ist, sondern über die Tatsache, dass ich mich bis jetzt nie wirklich darum gekümmert habe. Wozu auch? Abgaswerte, CO2-Grenzbereiche und der ausgelutschte Begriff „Feinstaubverschmutzung“ lagen bis anhin ausserhalb meines Interessenspektrums. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch? Muss ich mich schuldig fühlen dafür, dass der Tankwart mir jede Woche 80 Liter in den Bauch meines Panzers schüttet? Müsste ich jetzt öfters mal den Zug nehmen? Mich mit dem ganzen Pendlergesindel in ein Abteil zwängen? All den gutgelaunten Waldsterben-Verhinderer gegenübersitzen und so tun als würde mich ihr Gefasel nicht an den Rand des Wahnsinns treiben?
Es ist bedenklich wie weit mein Unterbewusstsein schon von omnipräsenten Ökospinnern infiltriert wurde. Wenn das so weitergeht kriegen die mich doch tatsächlich noch dazu, einen dieser grotesk anmutenden, aber umweltfreundlichen asiatischen Kleinstwagen zu lenken. Oder noch schlimmer, ich steige aufs Fahrrad. Freiwillig! Und wo ist bitteschön der Platz für meinen elektrisch verstellbaren Ledersitz? Nixda! Ich soll strampeln. Soll unter keuchen von A nach B gelangen. Ein verschwitztes Sakko in kauf nehmen. Mir die Hosen mit diesen Reflektor-Beinklammern von der schmierigen Kette fern halten. Das alles damit mein Gewissen beruhigt ist? Damit ich im Sinne der Natur handle? Wer weiss schon was die Natur will? Hat sie schon mal zu mir gesprochen? Nein! Zu Heulsuse Moritz? Wohl eher.

Nach einigem hin und her besinne ich mich auf einen Spruch des weisen Al Bundy: „Es ist das recht eines Mannes eine Benzinschleuder zu fahren, um damit Bräute aufzureissen“. Ich muss grinsen, schalte mein Getriebe auf „S“ für Sport und versuche den Momentanverbrauch in die dreistellige Dimension zu jagen.