Freitag, Juli 29, 2005

Italien 1 : 0 Frankreich

Eigentlich wollte ich diesen Sommer nach Frankreich. Das war so geplant, ja, ja.
Denn es liegt immer noch das Drehbuch zu einem Oscarverdächtigen Kassenschlager bei mir zu Hause. Den wollten wir ja eben in Frankreich mal kurz in einer Woche drehen. (das geht natürlich nur, weil mein teurer Freund, mit dem ich das Land von Mr. Miagi bereiste, und ich, auf schauspielerisch höchstem Niveau agieren, so dass jede Szene nur einmal gespielt werden muss und das Ding ist im Kasten)

Doch dann kam alles anders. Irgend eine Grossfirma kam auf die schwachsinnige Idee meinem Freund eine Stelle anzubieten, als Account Manager, und weil das gut klingt und mein Freund halt gerade nix besseres zu tun hatte, nahm er die Stelle an. Natürlich auf Kosten unseres Blockbusters. Grossartig. Vielen Dank auch Mr. Ichbinjasooooobusyundarbeiteinzüüüüüriiii. Dabei hatte ich mir doch schon überlegt was ich zur Oscarnacht anziehen würde und welches Sätzchen ich in die Kamera grinsen könnte. Das ist wichtig, denn wenn man sich nicht richtig gut vorbereitet widerfahren einem die schlimmsten Dinge. Es könnte zum Beispiel passieren, dass mir bei einer durch unbedachte Überschwänglichkeit verursachten Bewegung, eine Brust aus dem Kleidchen hüpft.
Ich müsste dann verlegen in die Kamera glotzen und "huuuuch" sagen, hastig den Apfel wieder in den Korb legen und den kleinen Lapsus mit gekünsteltem Losprusten überspielen. And the Oscar goes to......aber lassen wird das.

Ich bin ja glücklicherweise geistig dermassen Flexibel, dass ich umdisponieren und mich auf neue Dinge stürzen kann. So kam es auch, dass ich vorgestern die Eingebung hatte, übers Wochenende nach Berlusconien zu fahren und mir zwei Tage die Sonne auf den Bauch brennen lassen, das wärs. Und das tun wir jetzt auch. Also mein Freund Mr. Ichschmeissdenfilm und ich. (an meine homophilen Leser: 'Freund' im klassischen Sinne! Also nichts mit Händchenhalten und Schweinkram)

Frankreich ist raus, Italien drin!

Das hat so was Nostalgisches. Ich kenne niemanden, der nicht mindestens ein Mal mit seinen
Eltern im überladenen Auto gen Süden fuhr. Das grossartigste am ganzen Urlaub ist seit je, papperlapapp Strand, Sonne und so weiter, die Fahrt.
Genauer die kurzen Stopps, bei denen die besorgten Väter noch schnell den Reifendruck, Ölstand, Kühlerflüssigkeit und Bremsscheibenzustand kontrollieren. Während die Mütter ihre mitgebrachten Fressalien hervor kramen und die schmierigen Sandwichs verteilen möchten, wo es doch im AUTOGRILL die leckersten Dinge gibt.

Generell umgibt die italienschen Autobahnraststätten eine ganz spezielle Aura. Da treffen Menschen aufeinander die unterschiedlichste Ziele verfolgen.
Auf einmal steht da der Unternehmer Wolfgang-Ludwig aus Frankfurt a.M., der vor wenigen Sekunden seinen klimatisierten 7er verlassen hat, neben dem Fischverkäufer Giuseppe aus Triest, der vor zwei Stunden aus seinem Piaggio Transporter kletterte, am Gruppenpissoir. Der ungehobelte nouveau-riche entledigt sich unter Getöse seiner störenden Winde und Giuseppe lacht.
So was nennt sich Völkerverständigung, kultureller Brückenschlag, oder wie man in Trendy-Town sagen würde‚ ein get-together der Nationen. Da könnten sich UNESCO und Konsorten ein Stück von abschneiden. Aber das dürfen sie leider nicht - es führen keine ÖVM zur Raststätte.

Montag, Juli 25, 2005

Pimp my Wortschatz

Als ich mich noch in der Primarschule langweilte, war alles anders. Ich befand alle Mädchen für doof und das mit gutem Grund, denn da wo ich täglich 800 Meter zu Schule laufen musste gab’s weder schöne(was mich damals eigentlich noch nicht sonderlich interessierte, aber ich muss wohl instinktiv gemerkt haben, dass mir solche Belanglosigkeiten später einmal wichtig werden), noch kluge. Letzteres nervte mich nur, wenn ich mit der verhassten Corinne in einer Gruppe sein musste und sie immer auf Grund ihrer körperlichen Überlegenheit bestimmte, wer was zu tun hatte. Der geneigte Leser wird es erahnen, LordLevi ist von Geburt an reich gesegnet an grundsätzlichem Unverständnis für Autoritäres gebaren – erst recht, wenn ein Pferd nicht von einer Kuh unterschieden werden kann, obwohl doch beides im heimischen Stall steht. Da werde ich griesgrämig. So was prägt. Um meinen Unmut zu kompensieren verprügelte ich halt einen (manchmal auch eine – ich kann mich nicht erinnern, dass mir damals jemand gesagt hätte, man dürfe Mädchen nicht schlagen) aus meiner Klasse, der etwas schmächtiger war als ich. So ist das halt.

Ansonsten gab es sehr einfache Verhaltensregeln. Einen allgemein gültigen Konsens was man gut finden durfte und was nicht. Zum Beispiel Knight Rider. Hasselhoff war der Grösste. Und immer am nächsten Morgen nach der Ausstrahlung war als erstes Turnen. Diese Stunde hasste ich am meisten. Nicht etwa weil ich dicklich, unsportlich, oder sonst wie körperlich bemängelt gewesen wäre, sondern weil meine Eltern die absurde Vorstellung vertraten, Fernsehen verderbe den Charakter. Den Charakter!!!

Ach soooo ja klar, ich war ja auch erst acht, da hat man natürlich vollstes Verständnis für die pädagogischen Experimente von Späthippies. Einmal in der Woche wurde ich zum Aussenseiter degradiert. Ich konnte nicht mitreden. Obwohl ich anfänglich vorzutäuschen versuchte, ich hätte die Sendung gesehen,(aber es sprach sich herum dass „de düütsch“ keinen TV besass) liess man mich links liegen. Ich wusste nichts von „Turbo Boost“ und „Super Persuit Mode“. Natürlich hatte ich die eine oder andere Sendung gesehen und wusste ungefähr worum es ging, aber die aktuellsten Geschehnisse und was noch wichtiger war, Schlagworte, zogen an mir vorbei. Die restlichen Stunden nach der Turnlektion wurden jeweils dahingehend verwendet, möglichst oft Michael oder KITT nachzuahmen. Missbilligend wurde ich mit „du heschs jo gar ned gseh“ zurechtgewiesen, wenn ich mich ebenfalls in der Anwendung von Anglizismen versuchte.

Wobei wir bei meinem eigentlichen Thema(bin wohl etwas abgeschweift) von heute wären, – Anglizismus sucks! (anm. Spruch geklaut vom T-Shirt des grossen Stu, der hier namentlich genannt werden will)

Fürchterlich. Schon das Wort selbst verursacht Brechreiz. Und als ob nicht schon schlimm genug wäre, dass die Mittdreissiger-pseudo-Karrieristen-Sonntags-Rollerblader sich beim trendy biz-lunch erzählen, wie stressed sie doch sind und so wenig gap im pda auch mit fringe benefits nicht zu einer win-win-situation führen, vergewaltigen die heutigen Primarschüler, namentlich Generation Klingelton, mit immer debiler werdender Simplifizierung die deutsche Sprache. Massgeblich beteiligt ist die Bling-Bling-Fraktion, die zwischen überdimensionalen Weiberärschen und dicken Schlitten keine Zeit mehr findet, einen halbwegs vernünftigen Satz ins Mikro zu rotzen. Wozu auch, schliesslich versteht jeder was gemeint ist, wenn ich sage „she’s like woooooow!“
Sowas in der Art dachte sich auch die Polizei in Zug, als sie Aufkleber anfertigte mit dem Spruch „Gewalt = No Geil!“, was noch als vergleichsweise Harmlos zu werten ist.
Die Degeneration ist bereits dermassen fortgeschritten, dass ein Nachrichtensprecher bei N24 doch tatsächlich in die Kamera grinste und sagte: „Es ist cool sein Fahrrad zu pimpen“.

Montag, Juli 18, 2005

Klassenfahrt ins Muätital

Die wenigsten haben eine Ahnung wo sich das Muotathal überhaupt befindet, geschweige denn je mit einem Oberalmiger (bezeichnet die dort ansässigen Urgeschlechter, korrigier mich Roger, wenn ich falsch liege) gesprochen. Vielmehr kursieren die wildesten Geschichten und ich-kenne-jemanden-der-jemanden-kennt-Sagas. So soll angeblich die für unseren Breitengrad unübliche Schädelform der Einheimischen daher rühren, dass vor ein paar Jahrhunderten russische Soldaten ins Tal einfielen und die Mägde und Bäuerinnen zu unzüchtigem Schweinkram im Heuschober drängten. Das führte zu einer Generation von kartoffelköpfigen Innerschweizern deren russischer Einschlag bis heute erhalten blieb. Es ist jedoch davon abzuraten einem angetrunkenen Muotathaler diese Version seines Stammbaumes näher zu bringen.
Anlässlich der vier Semester Informatikscheiss, leider erst die Hälfte, die wir bis jetzt hinter uns gebracht haben, versammelte sich der Grossteil meiner Klasse im Muotathal um etwas zu feiern. Also minderwertiges Fleisch auf den Grill, Bier in die Hand, dummes zeug labern, Schmuddelwitze erzählen, sentimental werden und mit zunehmendem Fuselstand auch die arroganten Grosskotze(ein paar Leidensgenossen der Klasse und meine Wenigkeit) nett finden.
Um dem entgegenzuwirken und weil verwilderte Täler kein Anlass zu Stil Unsicherheiten geben, begnügten wir uns nur mit dem Besten. Angefangen mit zartestem Rindsfilet bis hin zu extra dafür neu erworbenem Besteck, Made in West Germany, führten wir unsere eigene kleine Gourmetküche.
Irgendwie reichte der Alkohol nicht aus, oder es gibt Strukturen die nicht so einfach zu brechen sind, jedenfalls sassen wieder die üblichen Grüppchen zusammen. Nach ein paar Flaschen Bier und unzähligen Diskursen über Brüste, optimale Intimrasuren und sexuelle Präferenzen(an die Klischeeverherrlicher: nicht alle Informatikstudenten stehen auf Klingonen) unternahmen wir eine kleine Erkundungstour, geführt von einem Klassenkameraden der sich zu recht als Oberalmiger bezeichnet, ins örtliche Pub(in der Schweiz bevorzugt „Pöbb“ ausgesprochen). Dort erfuhren wir, dass der Laden nur deshalb nicht aus allen Nähten platzte, weil das „Tann-Fäscht“ stattfand und alle Trinkfreudigen sich dort die Kante geben würden. Das war definitiv was für uns.
Obwohl wir noch warnend gefragt wurden ob wir denn überhaupt über ein allrad getriebenes Fahrzeug verfügen würden, natürlich nicht, stürzten wir uns wagemutig ins Abenteuer. Der Berg ruft! Um mal einen billig-Techno-Hit der 90er zu bemühen.
Nach etwa 15 Minuten einspuriger Bergstrasse mit Neigungswinkel an die 20 % erreichten wir besagtes Tann-Fäscht. Was uns erwartete übertrifft die kühnsten Älpler-Romantik-Fantasien der gesamten Sünnelipartei. Einfach sagenhaft. Die bewaldete Bergstrasse wurde immer lichter und ein kleines Plateau mit Hof bildete sozusagen die Sackgasse. Rings um den Viehstall, welcher notabene als Konzertsaal für urchige Handorgelmusik herhalten musste, parkten reihenweise die Autos bis weit den Hang hinauf. Was sofort auffiel – der örtliche Subaruhändler hat wohl keine Konjunkturflauten zu beklagen. Die Besucher des Tann-Fäscht waren, wie unser Guide konsterniert feststellte, wenig „hiesigi“ was soviel bedeutet wie, nicht von hier. Stattdessen aus den umliegenden Kantonen UR, NW,OW, ZG und sogar einer aus Züüüüriiiii und das will was heissen, denn bekanntermassen ist Zürich ja die angesagteste Metropole der Welt, also muss diese Party schon was besonderes sein.

Was mich hingegen nachdenklich stimmte – nirgends waren grimmige Glatzkopf-Rütlischwörer zu sehen. Im Gegenteil, es wurde herzhaft gelacht, einander zugeprostet und grosszügig Schnupftabak verteilt. Man konnte jemanden Anrempeln, aus versehen Bier über die Jeans eines Mädchens schütten, deren Freund zum Abendbrot locker ein halbes Rind verspeist hatte, oder jemandem auf den Fuss treten, ohne dass gleich die Ambulanz antraben musste(wäre schon rein aus geografischer sicht unsinnig).
Nach wenigen Minuten hatte ich begriffen wie hier am einfachsten kommuniziert wird, nämlich mittels lautem, aber undeutlichem zurufen von irgendwas und dabei die Flasche hochhalten. Was ich natürlich sofort ausprobieren wollte und die zwei schönsten Mädels mit einem polternden „schöni Sännerin“ begrüsste…und siehe da…ich erntete ein scheues Lächeln und Flasche hoch.

Womöglich hatte ich bis anhin ein völlig falsches Bild von diesem Talvolk. Vielleicht haben die Menschen hier einen Weg gefunden miteinander umzugehen ohne sich dabei gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Irgend etwas familiäres, wo jeder jeden kennt und alle alles von allen wissen. Ich bin wirklich beeindruckt.

Das einzig sonderbare an sich war die Garderobe. AC/DC muss wohl auch im Muotathal einen Merchandising Stand betreiben, anders ist die Vielzahl von Aufnähern und T-Shirts nicht zu erklären.

Dienstag, Juli 12, 2005

Wort zum Sonntag

Es ist Sonntag, 12:15 Uhr und ich habe mich gerade aus dem Bett gequält, als mein Mobiltelefon lieblichen Jazz von sich gibt und mir signalisiert, ‚hey, da will dich jemand sprechen’. Toll! Hurraaaa! Sowas brauche ich nachdem ich aufgestanden bin. Ein an Logorrhö leidender Artgenosse der mich dazu bewegen will aus meiner phlegmatischen Morgenstimmung auszubrechen, mich in feinen Zwirn zu zwängen und etwas der Seepromenade entlang zu schlendern.

Es war dann aber mein Vater, nicht minder unangenehm zu früher Stunde, denn das bedeutet für gewöhnlich Stress, Hektik, Verpflichtungen. Aber was solls, denk ich mir und nehme ab. Schliesslich komme ich ja gerade aus den Ferien, da steckt man so was weg. Etwas ausser Atem erklärt er mir, ich solle doch möglichst umgehend zu ihm fahren, irgendwelche schweren Tischplatten und was weiss ich, könne er unmöglich selber tragen. Wusst’ ich’s doch! Aber da ich noch keinen grossen Hunger habe und ausserdem zu Faul bin mir Cornflakes in eine Schüssel zu kippen fahre ich gleich los. Die paar Dinge die es zu schleppen gibt erweisen sich als ausgewachsenen Umzugshausrat aber das ahnte ich schon. Bandscheiben überstrapaziert, Bier hinunter gekippt, was auf leeren Magen angenehm einschlägt und ab zum SUBWAY für ein Chicken-Curry-Sandwich.

Dort stelle ich mit angenehmer Überraschung fest, dass ausser mir sämtliche Gäste aus dem Balkan stammen und da ich gerade von einem Segeltörn in Kroatien zurück komme wirkt dies auf mich irgendwie besänftigend. Ich leide ja für gewöhnlich stark an Fernweh wenn ich aus dem Urlaub zurück bin. Das beginnt meist schon ein paar Tage vor meiner Heimreise und wenn ich labil wäre, würde daraus wohl ein ausgewachsener Depressionsschub entstehen. Doch heute nicht, nicht an diesem Sonntag, es ist zwar schweinekalt und anstatt der in Kroatien üblichen grazilen, grossgewachsenen, vollbusigen, blonden, blauäugigen Schönheiten lungern pummlige Teeny-Albanerinnen und ihre halbstarken Gel-Macker herum und benehmen sich grossspurig aber mich amüsierts. Mir fällt auf, dass das Verhalten hier nur minimal von dem in ihrer Heimat abweicht und das stimmt mich nachdenklich – denn daraus liesse sich schliessen, dass auch wir, also die Schweizer(wobei ich mich genau genommen ja nicht dazu zähle und das nicht bloss weil ich den roten Wisch nicht besitze) uns im Urlaub ebenso benehmen wie hier.

Ok. Greifen wir also zur bewährten Methode des Syllogismus…

Erster Schritt:
Die Schweizer(oder von mir aus auch Deutschen, zu denen ich mich zähle) benehmen sich im Urlaub genau gleich wie zu Hause.

Zweiter Schritt:
Sie verhalten sich im Urlaub wie synapsenlose Höhlenbewohner

Schlussfolgerung:
Alle Schweizer(oder von mir aus auch Deutschen, zu denen ich mich zähle) sind grenzenlos schwachsinnige Denkverweigerer

Q.E.D.